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Sterben – eine Erfolgsgeschichte? Erntedank-Gedanken

Sterben – eine Erfolgsgeschichte? Erntedank-Gedanken

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„Dass es uns bald nicht mehr gibt, ist eine Erfolgsgeschichte.“ Dieser Satz einer Ordensschwester ist in Erinnerung geblieben. Das eigene Sterben – eine Erfolgsgeschichte? Auf einen solchen Gedanken muss man erst mal kommen. Der Hintergrund: Diese Schwester hat längere Zeit einen der vielen tätigen Frauenorden geleitet, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum entstanden sind. Viele dieser Gründungen waren eine Reaktion auf die soziale Frage – und viele dieser Gemeinschaften kämpfen anderthalb Jahrhunderte später mit erheblichen Nachwuchsproblemen. „Wir haben mitgeholfen, dass sich die soziale Frage heute in dieser Weise nicht mehr stellt. Das ist eine Erfolgsgeschichte.“ Sie ist der Überzeugung, dass die Geschichte ihrer Gemeinschaft zu Ende geht, weil sie ihre Mission erfüllt hat.  

Natürlich stellen sich auch heute noch soziale Fragen, und natürlich gibt es viele soziale Einrichtungen der Orden und Gemeinschaften in neuer Trägerschaft über Stiftungen und gGmbHs auch weiterhin. Sie bereichern die Pflegeheim- und Krankenhauslandschaft mit ihren Profilen enorm. Aber welche menschliche Größe spricht aus diesen Sätzen? Wie oft betrachten wir ein Weniger oder das Ende von etwas als Verlust und schauen mit Wehmut und Traurigkeit auf diese Entwicklung. Das ist menschlich und legitim. Und gleichzeitig hat diese Ordensfrau es geschafft, den Blick zu wenden von dem, was weniger wird auf das, was geschafft wurde. Eine Idee, die 150 Jahre getragen hat, war nicht schlecht, auch wenn heute anderes dran ist. 

In den Prozessen, die wir als 2denare begleiten, vor allem in den Spar- und Strategieprozessen, gelangen Menschen immer wieder an diesen Punkt. Es ist schwer, Dinge aufzugeben, die lange gut funktioniert haben, aber heute weniger nachgefragt sind. Und es fällt schwer, dann festzustellen „Okay, diese Dinge hatten ihre Zeit und wir sind dafür sehr dankbar. Aber jetzt ist etwas anderes dran“. Manchmal ermöglicht gerade das Loslassen das Neue – Exnovation wie Sandra Bils es nennt. Sie wird dazu bei der dennoch-Konferenz sprechen (mehr erfahren). 

Vielleicht kann da das Erntedankfest in diesen Tagen eine Ermutigung sein: Wir danken nicht nur für die Ernte, die Grundlage für unser täglich Brot. Wir können auch dankbar sein für die vielen Früchte, die Initiativen der Vergangenheit getragen haben und gleichzeitig wissen, dass heute andere Wege beschritten werden müssen, ja manchmal erst durch Loslassen möglich werden.   

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Max Niehoff

Max Niehoff bewegt sich zwischen den Bereichen Kirche, Wirtschaft und Gesellschaft. Er hat bei einem Diözesan-Caritasverband gearbeitet, war als Bischofsreferent tätig und engagiert sich ehrenamtlich in einem Kirchenvorstand. Parallel zur Beratung bei 2denare promoviert er im Fach VWL.

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Susanne Teichmanis

Sie ist Juristin mit Erfahrungen aus Führungsämtern kirchlicher Leitungsbehörden und hat ein Diplom in Themenzentrierter Interaktion. Ihre Beratungsanliegen sind vor allem das Change- und Konfliktmanagement sowie das Coaching von Führungskräften.