Geht Pastorales Sparen überhaupt? 7 Thesen zur Frage, auf welcher Grundlage kirchliche Körperschaften Finanzentscheidungen treffen können.
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1. These: Der Sparprozess einer kirchlichen Körperschaft braucht eine inhaltliche Orientierung.
Die Kirchen verfügen aufgrund der Kirchensteuer, der Erträge aus eigenem Vermögen, den Staatsleistungen etc. vor allem über nicht-zweckgebundene Einnahmen. Ihre vielfältigen Gliederungen wie Gemeinden, Kirchenkreise oder Bistümer sind somit relativ frei in der Verwendung ihrer Mittel. Zwar haben sie laufende Verträge, Verpflichtungen und (kirchen-)rechtliche Pflichtaufgaben. Aber grundsätzlich können sie sich – zumindest mittelfristig – recht frei entscheiden, in welchen Bereichen des kirchlichen Lebens sie Schwerpunkte setzen, ob sie manche Bereiche ganz aufgeben oder andere ganz neu erschließen. Es gibt keine rechtliche Vorgabe, ob und wie viele Schulen ein katholisches Bistum haben muss oder wieviel Geld ein Kirchenkreis für Kitas ausgibt.
Diese relative Freiheit in der Mittelverwendung bringt die Notwendigkeit mit sich, entscheiden zu müssen – vor allem in Zeiten, in denen die finanziellen Mittel weniger werden oder weniger wert werden. Da diese Entscheidungen nicht allein auf Kennzahlen beruhen können, braucht es inhaltliche Grundlagen, die die Entscheidungen leiten können, bspw. Vision, Strategie, Kriterien etc. Nennen wir sie der Einfachheit halber inhaltliche Orientierung.
2. These: In einer großen, komplexen und lebendigen Organisation ist es nicht möglich, diese Orientierung in ein umfassendes und abschließendes Dokument zu fassen.
Angesichts der Notwendigkeit einer inhaltlichen Orientierung liegt der Wunsch nahe, eine positive Zukunftsvision zu entwerfen, aus der sich dann die Entscheidungen im Haushalt ableiten lassen. Gegen diese Idee ist grundsätzlich nichts einzuwenden, und es ist ja auch positiv, wenn Körperschaften sich mit der eigenen Zukunft und dem eigenen Sinn und Zweck auseinandersetzen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass das zu der Annahme führt, ein besonders durchdachtes Visions-Dokument erstellen zu müssen, aus dem dann die Finanzentscheidungen von selbst ergeben. Aber einerseits lässt sich die Zukunft nicht herstellen, sondern nur ermöglichen. Und andererseits kennt nicht einmal die Bibel ein einziges Evangelium oder ein einziges Kirchenbild.
3. These: Die Kirche hat nicht ein einziges Alleinstellungsmerkmal, sondern vielfältige Angebote. Daher geht es meist eher um ein neues Zueinander der verschiedenen Sendungsbereiche.
Dadurch, dass die Vielfältigkeit des kirchlichen Lebens oftmals als Bereicherung oder Wert in sich empfunden wird, geht es in den wenigsten Sparprozessen darum, die kirchliche Wirklichkeit auf eine einzige Dimension zu reduzieren, beispielsweise auf Kirchengemeinden oder Schule oder Kita oder Kategoriale Seelsorge oder Kultur oder Erwachsenenbildung etc. Für alle Bereiche lassen sich gute theologische oder weitere Gründe finden, und es ist oftmals auch nicht klug, diese Bereiche gegeneinander auszuspielen. Das heißt, in Zeiten begrenzter Mittel geht es eher darum, ein neues Zueinander der verschiedenen Bereiche im Haushalt zu finden und ggf. in diesen Bereichen zu reduzieren. Also bspw. nicht ganz auf Bildung zu verzichten, aber vielleicht die Zahl der Angebote und Einrichtungen zu reduzieren.
4. These: Die inhaltliche Orientierung ist kein theoretisches Gegenüber zur kirchlichen Wirklichkeit.
Um zu einem neuen Zueinander der verschiedenen Bereiche zu kommen, hilft es oftmals wenig, ein theoretisches Papier zu formulieren und daraus Top-Down Prozentzahlen für einzelne Bereiche abzuleiten. Unserer Erfahrung nach ist es wesentlich zielführender, für jeden einzelnen Bereich des kirchlichen Lebens, der sich im Haushalt widerspiegelt, verschiedene Zukunftsszenarien zu entwerfen und dabei jeweils zu schauen, welche strategischen Motive diese Szenarien leiten. Denn oftmals liegen schon viele Strategien in der Luft, die zunächst einmal nur konzeptioniert und verbalisiert werden müssen. Das heißt, die Strategie wird in der Wirklichkeit und ausgehend von der Wirklichkeit gesucht und steht ihr nicht gegenüber. Ganz praktisch bedeutet dies in Sparprozessen, dass parallel zu einer Konzeptionierung von Szenarien und Sparmaßnahmen von den Verantwortlichen reflektiert wird, welche strategischen Implikationen diese Maßnahmen haben. Die inhaltliche Orientierung ist so auch kein einmal abgeschlossenes und fertiges Dokument, das dann im Schrank verstauben kann, sondern man muss im Prozess immer wieder auf die Motive schauen und überprüfen, ob sie tragen oder vielleicht verändert werden müssen.
5. These: Die beste Orientierung ersetzt nicht, dass Menschen entscheiden und für diese Entscheidungen Verantwortung übernehmen.
Dieses lebendige und prozesshafte Verständnis einer inhaltlichen Orientierung führt auch dazu, dass eine Orientierung nicht der Ersatz für eine Entscheidung sein kann. Entscheiden können nur Menschen, sei es einzeln als Führungskraft oder gemeinsam als Gremium. Eine Orientierung kann lediglich helfen, diese Entscheidungen zu verbessern. Dem Theologen Karl Rahner wird die provokante Aussage zugeschrieben: „Dogmen sind wie Straßenlaternen. Sie beleuchten den Weg der Gläubigen. Aber nur Betrunkene halten sich an ihnen fest.“ Das gilt vor allem für inhaltliche Orientierungen in Sparprozessen. Sie sollen eben orientieren, können aber das Entscheiden nicht ersetzen. Natürlich ist es hilfreich, etwa spezifische Kriterien zu bilden und verschiedene Angebote nach diesen Kriterien zu bewerten. Aber auch dieses Bewerten kann immer nur von Menschen gemacht werden. Es gibt keinen technischen Algorithmus, der eine inhaltlich fundierte Entscheidung übernehmen könnte.
6. These: Kirchen sind mehr als ihr Haushalt.
Sparprozesse sind einschneidende Ereignisse, die teils mit enormen Folgen einhergehen. Und dennoch hängt von diesen Prozessen und den dort getroffenen Entscheidungen nicht das Wohl und Wehe der Kirche ab. Das kirchliche Leben ist viel mehr, als sich in Haushalten abbilden lässt. Viel ehrenamtliches Engagement hängt kaum oder gar nicht mit Haushalten zusammen. Selbstverständlich braucht kirchliches Handeln Geld. Schulen brauchen hauptamtliches Personal, Kirchgebäude müssen unterhalten werden etc. Aber ein ehrenamtlicher Besuchsdienst kostet nichts im Sinne von Geld, ein Gottesdienst muss nicht notwendig in eigenen Gebäuden stattfinden… Die Entscheidungen über Haushalte sind damit immer noch bedeutsam und haben mindestens indirekt große Auswirkungen. Aber an ihnen entscheidet sich nicht das Reich Gottes.
7. These: Wenn getaufte und konfirmierte bzw. gefirmte Christen redlich um Entscheidungen ringen, ihr Ringen und ihre verschiedenen Perspektiven auf die Herausforderung reflektieren, ist das per se pastoral.
Es ist schwer, wegweisende Entscheidungen zu treffen, und selbstverständlich wünschen sich die Verantwortlichen eine größtmögliche Sicherheit, die sich mit Dokumenten schwarz auf weiß belegen lässt. Aber im kirchlichen Bereich darf man vielleicht auch darauf vertrauen, dass Gremien, die gemeinsam und reflektiert entscheiden, gute Entscheidungen treffen. Das postuliert keinen Wahrheitsanspruch für diese Gremien. Natürlich können sich auch Gruppen im kirchlichen Bereich irren. Aber man muss nicht notwendig einem Dokument mehr zutrauen als der gemeinsamen Reflexion von Menschen.