Aus Sicht von Change-Management sind Krisen ein guter Grund, um Menschen zu Veränderungen zu bewegen. Denn ohne guten Grund sind wir eher veränderungsunwillig – zu groß sind Verlustängste und Widerstände. So gesehen bieten die christlichen Kirchen mit ihren aktuellen Krisen viele gute und drängende Gründe für die zahlreichen Veränderungsprozesse, die zurzeit in katholischen Bistümern und evangelischen Landeskirchen durchgeführt werden. Da Führungskräfte wie Mitarbeitende auf allen Ebenen und in allen Bereichen von Wandel betroffen sind, ist ihre systematische Information und Beteiligung ein Gebot der Stunde. So gewinnt Change-Kommunikation zunehmend an Bedeutung. Ihre Relevanz für kirchliche Veränderungsprozesse kann kaum überschätzt werden, denn häufig scheitern diese gerade an fehlender oder ineffektiver Information, Beteiligung und Motivation der betroffenen Personen. Viele unserer Beratungsprozesse zeigen, dass Veränderung und Kommunikation zusammengehören und ein erfolgreicher Change eine erfolgreiche Kommunikation voraussetzt. So gehört es zu unserer Beratungspraxis, prozessbegleitende Change-Kommunikation von Anfang an sicherzustellen.
Doch was genau ist Change-Kommunikation? Change-Kommunikation ist Teil der Unternehmenskommunikation und meint einen sozialen Prozess, in dem die Voraussetzungen, Zielsetzungen und Inhalte einer Veränderung thematisiert werden. Die wesentliche Aufgabe besteht darin, im Übergang von einer alten zu einer neuen Situation Sicherheit und Orientierung zu bieten. Change-Kommunikation richtet sich an alle Personen, die an der Veränderung beteiligt und interessiert oder von ihr betroffen sind, also vor allem Führungskräfte, Mitarbeitende, Mitglieder und Kooperationspartner. Im kirchlichen Kontext ist sie für alle Prozesse relevant, die Veränderung intendieren, also für Strategieentwicklung ebenso wie für Prozesse zur Haushaltssicherung oder Organisationsentwicklung.
Um Sicherheit zu vermitteln, muss Kommunikation Emotionen berücksichtigen, die in Veränderungsprozessen unweigerlich entstehen: Betroffene sehen etwa ihren Status in Gefahr, fühlen sich ungerecht behandelt oder fürchten schlimmstenfalls um ihren Arbeitsplatz. Umso wichtiger ist es, mit Change-Kommunikation sowohl kognitives als auch emotionales Verstehen anzusprechen und die Reduzierung von Unsicherheit in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu braucht es Dialog und Beteiligung und ein Verständnis von Kommunikation als Teil der Veränderung, der prozessbegleitend von Anfang an in den Prozess integriert wird. Daran anschließend können folgende Ziele der Change-Kommunikation benannt werden:
Wissensvermittlung: Im Mittelpunkt stehen – insbesondere zu Beginn – transparente, nachvollziehbare Informationen über Anlass, Dringlichkeit, Inhalt und Ziele der angestrebten Veränderung. Den betroffenen und beteiligten Mitarbeitenden wird Orientierung geboten sowie ein Bewusstsein und bestenfalls Verständnis für die Situation ermöglicht. Zugleich geht es darum, entstehende Verunsicherungen und Ängste wahrzunehmen und zu klären. Die Methoden der Kommunikation werden entsprechend gewählt und Rückmeldungen und Kritik ermöglicht. Dazu bieten sich dialogorientierte Informationsveranstaltungen, Kick-Off-Formate oder Versammlungen an. Es empfiehlt sich, möglichem Widerstand und Ängsten ausreichend Raum zu geben und diese offen zu thematisieren. So sind sie bewusster Teil des Prozesses, zudem beinhalten begründete Einwände von Mitarbeitenden häufig relevante Aspekte, die berücksichtigt werden sollten.
Dialog und Partizipation: Ohne die Akzeptanz der betroffenen Personen ist eine Veränderung nicht nachhaltig umsetzbar. Gerade in den aktuellen kirchlichen Krisen, die auch einen Mitgliederschwund sowie Personal- und Fachkräftemangel zur Folge haben, ist offensichtlich, dass transparente Beteiligung notwendig ist, die Vertrauen (wieder) aufbaut und zu Mitdenken und Mithandeln motiviert. Als Formate bieten sich etwa Austauschrunden, Mitarbeitergespräche, Befragungen sowie verschiedene Feedback-Formen an.
Förderung von Gemeinschaft: Dieses Ziel fokussiert auf Sinn und Werte, die prägend für die kirchliche Organisation sind. Mit gemeinschaftsfördernden Maßnahmen wie Großgruppenveranstaltungen, Events und Kampagnen, Feiern von Zwischenzielen und Abschluss können diese im Prozess gelebt werden.
Insbesondere für kirchliche Arbeitskontexte, die häufig von einem hierarchischen Verständnis geprägt sind, können die genannten Ziele eine Herausforderung darstellen. Denn sie setzen voraus, dass offen und transparent informiert und beteiligt wird. Kommunikation in Veränderungen steht immer in enger Beziehung zur Kultur einer Organisation, ihren Haltungen und Werten. Die gelebte Kultur einer Organisation steht gerade in Veränderungsprozessen auf dem Prüfstand: Kann sie Stabilität bieten, um Betroffene für den gewünschten Change zu gewinnen? Hat sie (noch) das Vertrauen der betroffenen Personen, um die Veränderung nachhaltig zu entwickeln und umzusetzen?
Von großer Bedeutung für Kultur, Kommunikation und Handeln in Veränderungsprozessen sind Führungskräfte. Sie stehen für Werte, Stabilität und Verlässlichkeit einer Organisation und sind Vorbilder für das Zusammenspiel von Kommunikation und tatsächlichem Handeln. Gelingende Change-Kommunikation ist somit immer auch Führungsaufgabe, Führungskräfte müssen sich identifiziert mit den Veränderungszielen zeigen und sich aktiv für den Wandel einsetzen. Um Veränderungen anzustoßen und umzusetzen, ist ein Commitment der Führung eine entscheidende Voraussetzung.
Veränderungen bieten immer auch Chancen, die Kultur der Zusammenarbeit weiterzuentwickeln und Vertrauen (wieder) aufzubauen. Vor dem Hintergrund der kirchlichen Herausforderungen muss dies ein Ziel jeder Veränderung sein, um angesichts des Personalmangels nicht weitere Mitarbeitende zu verlieren. Dazu braucht es zum einen die Einsicht, dass Kommunikation mehr ist als die Mitteilung von Entscheidungen, und zum anderen Haltungen wie Respekt, Anerkennung und Wertschätzung den beteiligten und betroffenen Personen gegenüber.
Letztlich dreht sich bei erfolgreicher Veränderung alles um die Menschen – um Führungskräfte ebenso wie um Mitarbeitende. Change-Kommunikation stellt dafür eine wichtige Ressource dar, die in Prozessen zur Bewältigung der aktuellen kirchlichen Krisen systematisch eingebunden und als Teil der gewünschten Veränderung verstanden werden sollte. Die Umsetzung von Reformen sowohl des kirchlichen „Doing“ als auch des kirchlichen „Being“ kann damit erleichtert werden.
Dieser Beitrag ist erschienen in der Newsletter-Ausgabe 01/2024 vom 17.04.2024.