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Die evangelische und katholische Kirche in Deutschland stehen vor einer doppelten Krise: Legitimation und Ressourcen.
Skandale wie Missbrauch und Finanzverschwendung haben das Vertrauen beschädigt, die fortschreitende Säkularisierung schwächt zusätzlich ihre gesellschaftliche Legitimation. Immer drängender stellt sich die Frage: Welchen Beitrag leisten die Kirchen heute für die Gesellschaft?
Die Erosion von Legitimation führt unmittelbar zu sinkenden Ressourcen: Mitgliedszahlen und Kirchensteuereinnahmen brechen ein, öffentliche Aufgaben und Fördermittel gehen verloren. Damit schrumpfen die Handlungsspielräume erheblich. Leitungsverantwortliche müssen entscheiden, welche Aktivitäten sie fortführen – Angebote für Mitglieder oder gesellschaftliche Leistungen. Doch ein Rückzug aus der Öffentlichkeit verstärkt wiederum den Bedeutungsverlust. Es entsteht ein Kreislauf aus Legitimitätsverlust und Ressourcenknappheit.
Für kirchliche Entscheidungsträger ergeben sich zwei Kernfragen:
- Welchen Auftrag soll Kirche heute erfüllen, um gesellschaftlich relevant zu bleiben?
- Wie können Ressourcen so eingesetzt werden, dass dieser Auftrag Wirkung entfaltet?
Beide Fragen sind untrennbar verbunden: Wirkung erfordert Ressourcen, und reines Effizienzstreben ohne Wirkung bleibt leer. Entscheidend ist daher ein integriertes Ressourcen- und Wirkungscontrolling, das Reflexion in konkretes Handeln übersetzt.
Managementmethoden, insbesondere Controlling, bieten dafür Instrumente. Sie müssen jedoch an die Besonderheiten kirchlicher Organisationen angepasst werden. Herausforderungen liegen in der Verbindung von Effizienz und Effektivität, in der Messbarkeit von Wirkungen und deren Zuordnung zum Ressourceneinsatz.
Ziel dieses Beitrags ist es, kirchlichen Führungskräften Orientierung für die Entwicklung eines solchen Controllings zu geben, indem wir Anforderungen für die Umsetzung entwickeln. Behandelt werden dabei im Folgenden fünf Fragen, entlang derer sich dieser Beitrag strukturiert. Zur Beantwortung haben wir vorhandene Literatur und unsere Praxiserfahrungen aus Beratung und Wissenschaft ausgewertet.
1. Warum erfordern die aktuellen Entwicklungen für Kirche ein integriertes Ressourcen- und Wirkungscontrolling?
Die aktuellen Entwicklungen können für kirchliche Organisationen existenzbedrohend sein: Ohne (ausreichend) Wirkung und Ressourcen zerfällt jede Organisation.
Luhmann definiert Organisationen als fortgesetzte Kommunikation. Verliert diese ihre Anschlussfähigkeit (bzw. Legitimation und Akzeptanz) zu ihren internen und externen Anspruchsgruppen, bricht die Kommunikation ab und die Organisation zerfällt. Anschlussfähigkeit entsteht, wenn Anspruchsgruppen das Angebot als sinnhaft, also relevant und nützlich erleben.[1] Diese Sinnstiftung ist die notwendige Voraussetzung dafür, dass aus einer Leistung (Output) letztendlich Wirkung entsteht, d.h. eine Veränderung bei Menschen (Outcomes) oder in ihrem gesellschaftlichen Kontext (Impact) bewirkt wird. Andersherum erleben Anspruchsgruppen ein Angebot als irrelevant, wenn dieses ohne wahrnehmbare Wirkung bleibt (also ohne Outcome). Die für NGOs und auch für Kirchen entscheidenden Wirkungen sind folglich Outcomes. An ihnen lässt sich erkennen, ob die gewünschte Veränderung bei der Zielgruppe eingetreten ist – etwa ob Schüler:innen etwas gelernt haben – und damit zugleich, ob der Fortbestand der Organisation im Sinne Luhmanns gesichert ist. Impact ist hingegen weniger relevant, weil er schwer zu messen ist: Er wird meist erst langfristig sichtbar und ist oft auf mehrere Ursachen zurückzuführen.[2]
Um Kommunikation aufrecht zu erhalten, braucht es zugleich Ressourcen: Vor allem Personen die sich in den Dialog einbringen, aber auch Räume (u.a. in Immobilien) an denen Kommunikation stattfindet sowie andere Sachmittel (z.B. digitale Tools, Fahrzeuge, Papier), welche Kommunikation ermöglichen. Erst finanzielle Mittel schaffen die Grundlage zum Aufbau dieser Ressourcen.
Kirchliche Organisationen stehen hier in einer besonderen Situation: Innere Anschlussfähigkeit und Wirkung entstehen durch die Erfüllung des religiösen Auftrags. Äußere Anschlussfähigkeit und Wirkung erwachsen aus dem gesellschaftlichen Beitrag. Ihre Ressourcenbasis unterscheidet sich dabei von anderen Akteuren (vgl. unten). Das bedeutet im Umkehrschluss, dass kirchliche Organisationen theoretisch auch mit rein innerer Anschlussfähigkeit weiterbestehen – also ausschließliche für ihre Mitgliedern wirksam sind. Das würde jedoch ihrem missionarischen Sendungsauftrag widersprechen.
Daher gilt: Wirkung und Ressourcen sind keine Nebenkategorien, sondern Existenzbedingungen jeder Organisation und so auch von Kirche. Steuerung muss sich an ihnen messen lassen.
2. Was zeichnet kirchliche Organisationen in Abgrenzung zu anderen gesellschaftlichen Akteuren aus, insb. Wirtschaftsunternehmen und Non-Profit-Organisationen?
Kirchliche Organisationen nehmen im Feld gesellschaftlicher Institutionen eine Sonderstellung ein [3]. Wie Non-Profit-Organisationen (NPOs) sind sie nicht gewinnorientiert, unterscheiden sich aber durch ihren religiösen Auftrag, ihre historische Verankerung und ihre besondere Rechtsstellung (vgl. Staatskirchenrecht). Zugleich unterscheiden sie sich von Wirtschaftsunternehmen, deren Daseinszweck vornehmlich in der Gewinnerzielung liegt. Während NPOs ihre Legitimation aus gesellschaftlichen Zielen wie Bildung, Umweltschutz oder sozialer Hilfe ziehen, orientieren sich Kirchen an einer doppelten Grundlage: ihrem theologischen Sendungsauftrag und ihrer gesellschaftlichen Rolle als Trägerin sozialer, kultureller und seelsorgerischer Aufgaben.
Diese Zwischenstellung führt zu spezifischen Anforderungen an Steuerung und Controlling, die sich nicht einfach aus den Logiken von Unternehmen oder NPOs übernehmen lassen. Unternehmen orientieren sich primär am Output, gemessen am Gewinn (Shareholder-Value). NPOs richten sich stärker auf gesellschaftlichen Impact, also auf die nachhaltige Veränderung von sozialen, ökologischen oder kulturellen Bedingungen (Stakeholder-Value).[4] Kirchliche Organisationen wiederum sind von einer doppelten Wirkungslogik geprägt: Sie müssen spirituelle Wirkung nach innen und gesellschaftliche Wirkung nach außen entfalten – wobei die Grenzen zwischen innen und außen fließend sind. Diese besondere Konstellation zwingt Kirchen dazu, ihre Identität und Tradition mit gesellschaftlicher Legitimation auszubalancieren.
3. Was ist unter Ressourcen- und Wirkungscontrolling zu verstehen? Was ist nötig und was sind Herausforderungen, um beides zu integrieren?
Controlling – ein Teilgebiet der Organisationsteuerung – funktioniert nach dem Prinzip des Regelkreises (vgl. PDCA-Zyklus): Ist-Zustand und Soll-Zustand werden ermittelt und miteinander verglichen, Abweichungen werden ermittelt, Maßnahmen eingeleitet.[5] Voraussetzung dafür ist Messbarkeit. „What gets measured gets done“ beschreibt die Logik dieser Steuerung treffend: Messung schafft Transparenz und Verbindlichkeit, sie steuert Verhalten durch Anerkennung und Sanktion. [6] Dass Wirkungen (Outcomes) schwerer zu messen sind als Leistungen oder Handlungen (Outputs), führt im kirchlichen Bereich häufig zur vorschnellen Schlussfolgerung, Controlling sei grundsätzlich „unmöglich“. Gerade dieser Umstand sollte jedoch Anstoß sein, geeignete Messansätze zu entwickeln. Oft wird zudem der Umkehrschluss als Gegenargument angeführt: „What doesn’t get measured gets ignored.“ Diese Kritik beschreibt zwar eine ernstzunehmende Gefahr, darf aber nicht als „Totschlagargument“ gegen Controlling verstanden werden. Vielmehr weist sie auf die Notwendigkeit hin, ein zahlenbasiertes Controlling stets in einen umfassenden Interpretations- und Entscheidungsprozess einzubetten.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Ressourcen- und Wirkungscontrolling nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Ressourcen allein sichern noch keine Wirkung, Wirkung allein lässt sich ohne Ressourcen nicht erzeugen und ist auch nicht 1:1 aus Ressourcen abzuleiten. Erst in der Verbindung einer Wirkungslogik wird deutlich, ob knappe Mittel effizient in gewünschte Wirkung überführt werden. Kirchen müssen daher sowohl Effizienz (Ressourceneinsatz) als auch Effektivität (Wirkung) integriert steuern. Werden beide Dimensionen getrennt betrachtet, entsteht eine Lücke: Entweder wird die Organisation zwar wirtschaftlich geführt, verliert aber ihre Wirkung – oder sie erzeugt Wirkung, ohne die Ressourcenbasis zu sichern. In beiden Fällen gerät ihre Legitimation ins Wanken. Die Folgen lassen sich in den aktuellen Entwicklungen deutlich erkennen (vgl. oben).
4. Welche Anforderungen und Herausforderungen ergeben sich aus den Spezifika kirchlicher Organisationen an ein integriertes Ressourcen- und Wirkungscontrolling?
Ihre Doppelrolle – als spirituelle Gemeinschaft und gesellschaftlicher Akteur – bringt komplexe Erwartungen, schwer messbare Wirkungen und vielfältige Stakeholder mit sich. Hinzu kommen historisch gewachsene Strukturen, ethische Überzeugungen und eine zunehmend angespannte Ressourcenlage. Diese Rahmenbedingungen unterscheiden Kirchen deutlich von Unternehmen oder klassischen Non-Profit-Organisationen und machen eine eigenständige, kontextbezogene Ausgestaltung von Controlling unverzichtbar. Entsprechend ergeben sich für ein integriertes Ressourcen- und Wirkungscontrolling kirchlicher Organisationen besondere Anforderungen:
- Doppelter Auftrag und Übersetzung in Wirkungsziele: Kirchliche Organisationen verfolgen sowohl einen nach innen gerichteten als auch einen nach außen gerichteten Auftrag – dabei sind die Grenzen fließend, da Kirchenmitglieder auch immer gesellschaftliche Akteure sind. Beide Wirkungsdimensionen müssen erfasst, ins Verhältnis gesetzt und in Form von Wirkungszielen auch konkret formuliert werden.
- Outcomes messen: Während Outputgrößen wie Teilnehmerzahlen, Haushaltsvolumina oder Mitarbeitendenzahlen gut erfassbar sind, bleiben die eigentlichen Wirkungen kirchlichen Handelns (z. B. Vertiefung des Glaubens, Stärkung von Gemeinschaft, persönliche Sinnorientierung) oft verborgen. Daraus folgt die Anforderung, quantitative und qualitative Methoden systematisch zu kombinieren. Dies erfordert eine Weiterentwicklung klassischer Controllinginstrumente.
- Wirkungsorientierung klärt Erwartungen verschiedener Stakeholder: Kirchliche Organisationen sind verschiedenen Anspruchsgruppen verpflichtet: Mitglieder, staatlichen Zuwendungsgeber, Spender:innen, Gesellschaft sowie letztlich Gott ihrem „eigentlichen Auftraggeber“ (bzw. der kirchlichen Lehre). Diese Mehrfachlegitimation führt zu teilweise widersprüchlichen Anforderungen bzgl. Ressourceneinsatz und Wirkung. Ein integriertes Controlling muss daher in der Lage sein, Zielkonflikte sichtbar zu machen und auszubalancieren.
- Gewachsene Strukturen: Kirchliche Organisationen sind in komplexe, historisch gewachsene Strukturen eingebettet, welche oft nur langsam veränderbar sind. Entscheidungsprozesse sind sowohl hierarchisch über unterschiedlichen Ebenen (u.a. Pfarrei, Bistum/Landeskirche, EKD/DBK) als auch partizipativ-synodal geprägt und beeinflusst. Dies erschwert die Einführung standardisierter Controllingsysteme und erfordert flexible, partizipative Verfahren, die sowohl die institutionelle Kultur berücksichtigen.
- Ethisch-normative Dimension: Während in Unternehmen Effizienz- und Effektivitätslogiken relativ klar auf ökonomische Zielgrößen ausgerichtet sind, muss Controlling in kirchlichen Organisationen immer auch eine ethisch-normative Dimension reflektieren. Steuerung darf nicht nur an Zahlen orientiert sein, sondern muss mit den Grundwerten der Kirche (z. B. Menschenwürde, Nächstenliebe, Solidarität, Nachhaltigkeit) in Einklang stehen. Dies bedeutet, dass ökonomische Steuerungsinstrumente kritisch geprüft, angepasst und ggf. theologisch rückgebunden werden müssen.
- Ressourcenknappheit: Abnehmende Mitgliederzahlen und sinkende Kirchensteuereinnahmen verstärken die Notwendigkeit, Ressourcen effizient einzusetzen. Der zunehmende Ressourcensteuerungsbedarf erfordert automatisch eine Priorisierung von Aufgaben und Investitionen, denen inhaltliche Ausrichtungen zugrunde liegen sollten. Ein integriertes Ressourcen- und Wirkungscontrolling muss daher einen doppelten Zweck erfüllen: Es soll Transparenz über Mittelverwendung herstellen und gleichzeitig sicherstellen, dass die verbleibenden Ressourcen möglichst wirksam in den Kernauftrag investiert werden.
- Herausforderung der Integration: Die Integration von Ressourcen- und Wirkungscontrolling erfordert die gleichzeitige Steuerung von Effizienz (Ressourceneinsatz) und Effektivität (Wirkung). In kirchlichen Organisationen bedeutet dies, unterschiedliche Logiken zusammenzuführen: die betriebswirtschaftliche Logik der Messbarkeit und Vergleichbarkeit, die gesellschaftliche Logik der Legitimation und die religiöse Logik der Glaubensüberzeugungen. Die Herausforderung besteht darin, diese Logiken nicht gegeneinander auszuspielen, sondern in einem fruchtbaren Spannungsverhältnis zu halten und aufeinander zu beziehen.
Die kirchlichen Spezifika stellen hohe Anforderungen an ein integriertes Ressourcen- und Wirkungscontrolling. Sie machen deutlich, dass es nicht genügt, bestehende Instrumente aus der Wirtschaft oder dem Non-Profit-Sektor zu übernehmen. Gleichzeitig ist es nicht nötig bei „Null“ zu beginnen. Vielmehr ist eine auf kirchliche Organisationen bezogene Weiterentwicklung erprobter Methoden notwendig. So kann ein Controlling entstehen, das den besonderen kirchlichen Auftrag abbildet und zugleich ihre gesellschaftliche Legitimation und Ressourcenbasis sichert.
5. Wie kann ein integriertes Ressourcen- und Wirkungscontrolling für kirchliche Organisationen aussehen und konkret ausgestaltet werden?
Die Entwicklung eines integrierten Ressourcen- und Wirkungscontrolling für kirchliche Organisationen kann sich an bestehenden Controlling-Ansätzen aus der Betriebswirtschaft und dem Non-Profit-Management orientieren. An dieser Stelle möchten wir daher einige dieser bestehenden Ansätze auflisten, welche in die Überlegungen einfließen sollten:
- Die Balance Scorecard erweitert klassische Kennzahlensysteme um nicht-finanzielle Wirkungsdimensionen.
- Wirkungsorientierte Haushaltssteuerung, wie sie im Public Management diskutiert wird, verbindet Ressourcensteuerung mit gesellschaftlichen Zielen.
- Der Social Return on Investment (SROI) versucht, gesellschaftliche Wirkung in monetäre Größen zu übersetzen.
- Die Kosten-Wirkungsrechnung bringt Kosten pro Einheit Wirkung in Relation.
Diese Methoden bieten wertvolle Ansätze, stoßen jedoch im kirchlichen Kontext an Grenzen. Folglich ist eine Weiterentwicklung nötig.
Ziel unserer weiteren Forschung ist es daher einen entsprechenden Ansatz und Methodenkoffer zu entwickeln. Hier möchten wir bestehende Ansätze des Ressourcen- und Wirkungscontrollings auf ihre Tauglichkeit für Kirchen untersuchen und diese gezielt in einem integrierten Ansatz zusammenführen.
[1] Niklas Luhmann u. a., Die Grenzen Der Verwaltung, Erste Aufl (Suhrkamp, 2021).
[2] Bernd Halfer, „Die Wirkung Sozialer Arbeit ist messbar“, Neue Caritas, Robert Klebes, 7. Februar 2013, https://www.caritas.de/neue-caritas/heftarchiv/jahrgang2013/artikel/die-wirkung-sozialer-arbeit-ist-messbar.
[3] Miriam Zimmer, „Auf die Wirkung kommt es an | zeitzeichen.net“, 22. Januar 2025, https://zeitzeichen.net/node/11615.
[4] Steffen Hesping und Thomas de Nocker, „Kirchliches Controlling -Studie Zu Grundlagen, Aktuelle Herausforderungen Und Perspektiven“, Zap:Workingpapers, Nr. 21 (Juli 2025), https://www.zap-bochum.de/wp-content/uploads/2025/07/zapworkingpaper21.pdf.
[5] Günter Müller-Stewens und Christoph Lechner, Strategisches Management: wie strategische Initiativen zum Wandel führen: der Strategic Management Navigator, 5., überarbeitete Auflage (Schäffer-Poeschel Verlag, 2016).
[6] Populäre Management-Aussage mit unbekannter Quelle

