Werden die Chancen unterschätzt, die auch nicht-sakrale Gebäude für die Kirchen bedeuten?
Adalbert Schmidt (EKD) und Karl Schmiemann (VDD) haben kürzlich in einem gemeinsamen Positionspaper darauf hingewiesen, dass sich die Bistümer und Landeskirchen bis 2060 von etwa 40.000 Immobilien trennen müssen. Damit die 42.500 Sakralbauten mit rechtlichen Auflagen vereint werden können – etwa 80 Prozent unter dem Schutz des Denkmalrechts – schlagen sie ein frühzeitiges, partizipatives und erfolgsorientiertes Einigungsverfahren vor. Dieses soll einerseits hochwertige Kirchenbauten als Kulturerbe erhalten, trotzdem auch anderweitige Weiternutzungsoptionen ermöglichen. Landeskirchen und Bistümer haben sich bereits der Thematik neuer Nutzungskonzepte im Rahmen einer Immobilienstrategie angenommen. Andernorts sind umfassende Erhebungen zum Immobilienbestand oder gar ein Baumoratorium keine Seltenheit.
Aber: Ebenso ungewiss wie die Zukunft sakraler Bauten sowie pastoral genutzter Gebäude ist auch der weitere Umgang mit Ertragsimmobilien in kirchlichem Besitz. Dabei bieten gerade diese nicht unmittelbar pastoral genutzten Immobilien wie Wohn- und Geschäftshäuser erhebliches Potential, um Einnahmen zu generieren und so die Arbeit der Pfarreien zu unterstützen. Eigenen Schätzungen zufolge befinden sich etwa 35.000 solcher Ertragsimmobilien im Besitz der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland. Bisher werden diese jedoch oft nicht professionell nach betriebswirtschaftlichen Kriterien gemanagt. Durch eine strategische Bestandsaufnahme, klare Zielvorgaben zur Renditesteigerung und ein professionelles Management ließen sich die Erträge aus den Immobilien optimieren, ohne den sozialen Auftrag der Kirche zu vernachlässigen. Die so erzielten Mehreinnahmen könnten wiederum die pastorale und caritative Arbeit in den Pfarreien unterstützen. Allerdings stehen einer solchen Professionalisierung einige Hürden im Weg: Insbesondere die Eigentumsverhältnisse – die meisten Ertragsimmobilien gehören den Kirchengemeinden – erschweren ein einheitliches strategisches Vorgehen. Auch haben die ehrenamtlich besetzten Gremien vor Ort zurecht andere Prioritäten als die mit einer Immobilienweiterentwicklung oder gar einem -Verkauf einhergehenden Mühen auf sich zu nehmen. Um das brachliegende Potential der kirchlichen Ertragsimmobilien zu heben, müssten daher neue Wege eingeschlagen werden: Eine stärkere Zentralisierung des Immobilienmanagements, verbindliche Renditeziele sowie fachliche Unterstützung und Beratung könnten wichtige Schritte sein, um Gewinne aus einem professionell aufgestellten kirchlichen Immobilienbestand der Sicherung der pastoralen Arbeit zuzuführen. Dabei geht es nicht um Immobilienspekulationen, auch wenn Kirchen nicht immun gegen das branchenübliche Profitdenken sind: Das Erzbistum München und Freising hatte beispielsweise 2020 noch die prinzipielle Zielvorgabe, dass je ein Drittel der Wohnungen nach sozialen Maßgaben sowie an Mitarbeitende und 40 Prozent nach den marktüblichen Bedingungen vermietet werden sollen.
Dass Ertragsimmobilien der Pfarreien jedoch tatsächlich Erträge abwerfen, kann zumindest angezweifelt werden. Immerhin erwirtschaftet ein großer Teil der privaten Vermieter in Deutschland nur eine geringe Rendite, jeder dritte Vermieter macht sogar gar keinen Gewinn mit seinen Immobilien. Es wäre erstaunlich, wenn ehrenamtlich geführte Gremien hierin sehr viel erfolgreicher sind. Dabei steigt der Bedarf an Wohnraum gerade in städtischen Gebieten immens. Warum nicht im Zusammenspiel mit Kommunen und durch innovative Immobilienkonzepte neuen Wohnraum schaffen, wie es Johannes Bernard von Kirche+Leben vorschlägt? Oder einen Immobilienfonds für Ertragsimmobilien mit anteiligen Gewinnausschüttungen aufsetzen? Natürlich müssten diese Vorhaben in Einklang mit den Pastoralkonzepten stehen. Jedoch: So wie es an innovativen Nutzungsideen für sakrale Bauten nicht mangelt, sollte auch der Bereich der pfarrlichen Ertragsimmobilien in den Blick genommen werden: Ein zukünftig wichtiger Baustein, um pastorales Leben gegenzufinanzieren – und um Gremien und Verwaltungsleitungen vor Ort mehr Zeit für andere Tätigkeiten zu ermöglichen.
Dieser Beitrag ist erschienen in der Newsletter-Ausgabe 01/2024 vom 17.04.2024.