„Woelkis BWL-Visionen von Kirche“, so überschrieb Joachim Frank im Kölner Stadtanzeiger einen Text zur pastoralen Schwerpunktsetzung im Erzbistum Köln. Ob man denn Wirkung messen könnte? Frank beschreibt seinen Eindruck: „Ein abwegiger Gedanke? Keineswegs, wenn man sich ansieht, womit Woelkis pastoraler Chefstratege Simon Schmidbaur, vor einem Jahr als „Senior Manager“ von der fürs Erzbistum tätigen Beraterfirma Deloitte herübergewechselt, derzeit in Woelkis Auftrag verschiedene kirchliche „Funktionsbereiche“ überzieht: Gemeinden, Tagungshäuser und Bildungsstätten, Schulen und Kitas, die Jugendpastoral, Erwachsenen- und Ausländerseelsorge, aber auch die Hohe Domkirche, das Historische Archiv – und Kolumba. Sie alle sollen in einem mit Consulting-Sprech „aufgepimptem“ Fragebogen ausführlich ihren Beitrag zu vier „strategischen Zielen“ des Kardinals darlegen: Nachfolge leben, missionarisch Kirche sein, diakonisch wirken und generationengerecht handeln.“
Die Kritik gilt nicht nur den Methodiken, Wirksamkeit zu erfassen, sondern auch dem Ansinnen an sich, wenn ein Bonner Liturgiewissenschaftler zitiert wird: „Woelkis Verständnis von Evangelisierung mit der „Vertiefung und Stärkung der Beziehung zu Christus“ als Maßstab allen kirchlichen Handelns hält der Theologe für anmaßend und autoritär.“
Die Empörung in den Sozialen Medien war so groß, dass der erwähnte „Chefstratege“ kurz danach in der Kölnischen Rundschau das ganze Vorhaben in einem Interview erläuterte und rechtfertigte. Zu dem Zeitpunkt hatten viele aber schon eine Meinung, die sich anhand von unzähligen Social-Media-Kommentaren zusammenfassen lässt: Ein Bischof setzt seine eigene kirchenpolitische Agenda unter dem Deckmantel einer scheinbar objektiven Analyse durch!
Die klugen Erläuterungen von Simon Schmidbauer verpufften somit oder wollten nicht gehört werden. Letztlich wurde eine Chance vertan, Kirche für die Zukunft weiterzuentwickeln. Warum?
Eine pastorale Schwerpunktsetzung ist im Erzbistum Köln so notwendig wie in allen anderen Diözesen, Landeskirchen, Kirchenkreisen, Ordensgemeinschaften etc. Rückläufige Finanz- und Personalressourcen zwingen dazu, bestimmte Angebote aufzugeben oder auszudünnen, das bietet gleichzeitig die Chance, Schwerpunkte zu setzen, also dort auch Ressourcen schwerpunktmäßig einzusetzen. Die Kirche ist keine „sowohl-als-auch“, sondern eine „entweder-oder“-Kirche geworden. Wer zwanghaft alles so beibehalten will, wie bisher, läuft letztlich in die Bedeutungslosigkeit: Sterben in Scheiben.
Es braucht also Schwerpunkte. Wenn die Pastoralen Schwerpunkte in Köln aber feststehen werden, wird diesen eines fehlen: Akzeptanz. Ohne eine Akzeptanz in der Breite, getragen von Gremien und Berufsgruppen, wird eine gemeinsame Umsetzung aber nicht möglich sein, sondern immer der Vorwurf von Willkür im Raum bleiben.
Natürlich kann man die Wirkung pastoraler Angebote nicht so messbar machen, dass sich direkt die ideale Höhe an einzusetzenden Finanz- und Personalressourcen ableiten lässt. Daran haben sich schon erfolglos unzählige Strategen, Controller und Berater versucht. Aber es gibt Instrumente, Methoden und Prozesse, mit denen man gemeinschaftlich zukünftige Schwerpunkte und damit auch Schwerpunktfinanzzuweisungen bestimmt. Wenn sich diese Vorschläge dann eine Diözesanversammlung, eine Kreissynode oder sonst eigenständiges Leitungs- oder Beratungsgremium zu eigen macht, dann ist ein sehr gutes Fundament gelegt – für eine Kirche, die zwar kleiner wird, aber das Profil hat, um dort zu wirken, wo es ihrer Einschätzung nach am dringendsten ist.
Wir haben in den letzten Jahren eine Reihe an solchen Strategieprozessen erfolgreich begleitet, einen Einblick in die Arbeitsweise am Beispiel des Prozesses in der Diözese Linz finden Sie hier.
Dieser Beitrag ist erschienen in der Newsletter-Ausgabe 03/2024 vom 10.10.2024.